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24.08.22 Tatoos, Versuch einer Glosse

Leserbrief an Bayerwaldbote Regen zum heutigen Bericht "Endlich wieder Farbe unter der Haut"

Habe ich das richtig verstanden? Werbung für Tätowierungen in der Heimatzeitung? Früher war es halt eine Knastmanie, sich das so lebenswichtige Schutz-, Ausscheidungs- und Atmungsorgan Haut maltretieren zu lassen, damit man bei den schweren Jungs dazu gehörte. Auch die japanische Mafia lässt sich den Rücken mit gruseligem Getier verunstalten und nach dem Tod die Haut mit dem „Kunstwerk“ abziehen und als Leder gerben. Auch was ein richtiger Wikinger bei Netflix werden will oder Torjäger in der Bundesliga, kommt um Hautmalerei nicht herum. In einem Schwimmbad erschrak ich noch vor Jahren, denn die artigsten weiblichen Pobacken waren mit kindlichen Motiven „verziert“ oder von Arschgeweihen eingerahmt, die vom Stil her an die Sofadecke von Tante Gundi  erinnerten. Wobei sich manches Gänseblümchen im Lauf der Jahre zu einer ausladenden Sonnenblume entwickelt hat und manches Seepferdchen zu einem Nilpferd. Auch heute erschrecken mich Waden und Arme füllende kitschige Tiermotive und manchmal werde ich die Vermutung nicht los, dass manche Frau die Bilder als Verhütungsmittel einsetzt. Nun, zumindest bei mir würde das funktionieren… Mein Appell an alle Kids – überlegt es euch, ob ihr euch aus einer Laune heraus für euer ganzes Leben lang als Irgendetwas outen wollt. Zumindest bei mir haben sich im Laufe der Jahre noch Entwicklungen vollzogen und ich danke den Göttern, dass ich mir als Teenager nicht „Ballaballa“ oder den Firmennamen einer E-Gitarre aufs Hirn habe tätowieren lassen.

am 29.8.22 kam dann die Antwort eines Tatoostudios:

Tattoo-Branche hat sich weiterentwickelt

Zum Bericht "Endlich wieder Farbe unter der Haut" vom 24. August und einem darauf bezogenen Leserbrief:

"...dieser Leserbrief sollte sich auf den Bericht (...) beziehen, in dem wir über die coronabedingten Schwierigkeiten der Branche und vor allem die Neuerungen der Tattoo-Reach-Verordnung, die am 4. Januar 2022 in Kraft getreten ist, befragt wurden. Den Leserbrief von Helmut Geiss interpretieren wir allerdings als kritischen Rundumschlag und klischeehafte Darstellung von Tätowierern und ihren Kunden, die sicher schon seit zwei Jahrzehnten mehr als überholt ist. Beileibe ist dies die Meinung eines Einzelnen, die wir natürlich respektieren, jedoch vermuten, dass die Entwicklung der Branche in den letzten Jahren vollkommen an Herrn Geiss vorbeigegangen ist. Wir sind uns jedoch sicher, dass die Mehrheit der Leser weiß, dass Tattoos längst ein gesellschaftsfähiger Ausdruck des eigenen Geschmacks und der Selbstverwirklichung geworden sind. Zeiten, in denen nur Gefängnisinsassen mit geheimen Botschaften tätowiert wurden, sind beileibe seit Dekaden Geschichte.
Unsere Kunden sind ein Querschnitt der gesamten Gesellschaft, darunter befinden sich hohe Beamte, Oberärzte oder Lehrer genauso wie einfache Angestellte oder Fabrikarbeiter. Statistisch gesehen ist inzwischen jede vierte Frau in Deutschland tätowiert, bei den Mittzwanzigern bis Mittvierziger sind es sogar mehr als 40 Prozent (Quelle: YouGov im Auftrag der dpa).

Auch die Motivwahl ist zu etwas sehr Persönlichem geworden. Kundenwünsche, wie Erinnerungen an geliebte Menschen und dergleichen, erfüllen wir sehr gerne. Japanische Mafiosi mit gruseligem Getier am Rücken, wie Herr Geiss die Zielgruppe in seinem Leserbrief definiert, hatten wir hingegen selbst noch nicht unter unseren Kunden. Im Jahr 2022, in dem man um gesellschaftspräsente Themen wie Diversity gar nicht drumherum kommt, ist es verwunderlich, wie man noch immer dermaßen althergebrachte Thesen vertreten und ebensolche Ratschläge erteilen möchte. Tattoos sind Geschmacksache, genau wie Haarfarben, Kleidungsstil (...) Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten, dennoch bleibt es die alleinige Entscheidung eines Einzelnen, wie er selbst mit seinem Körper und seiner Haut umgeht. Wir würden uns wünschen, dass selbsternannte ,Freigeister‘ ihre eigene Toleranzgrenze anderen Menschen gegenüber auf den Prüfstand stellen. "
Alex Fouquet und das Team von Alex Tattoo Studio, Bodenmais