aus: Erich Fromm: "Haben und Sein" 1979
"Egoismus ist nicht bloß ein Aspekt meines Verhaltens, sondern meines Charakters. Er bedeutet, dass ich alles für mich haben möchte; dass nicht Teilen, sondern Besitzen mir Vergnügen bereitet; dass ich immer habgieriger werden muß, denn wenn haben mein Ziel ist, bin ich um so mehr, je mehr ich habe; dass ich allen anderen gegenüber feindselig bin - meinen Kunden gegenüber, die ich betrügen, meinen Konkurrenten, die ich ruinieren, meinen Arbeitern, die ich ausbeuten möchte. Ich kann nie zufrieden sein, denn meine Wünsche sind endlos. Ich muß beneiden, die mehr haben als ich, und mich vor jenen fürchten, die weniger haben. Aber alle diese Gefühle muß ich verdrängen, um (vor anderen und vor mir selbst) der lächelnde, vernünftige, ehrliche, freundliche Mensch zu sein, als der sich jedermann ausgibt. Die Habsucht muß zu endlosen Klassenkämpfen führen. Die Behauptung der Kommunisten, ihr System würde den Klassenkampf durch Abschaffung beenden, ist eine Fiktion, da auch ihr System auf dem Prinzip des unbegrenzten Konsums als Lebensziel basiert. Solange jeder mehr haben will, muß es Klassenkampf und, global gesehen, Kriege geben. Habgier und Frieden schließen sich aus." |