SZ 28.3.07
Justiz ohne Würde
Es war das erste Verfahren vor einem Tribunal in Guantanamo, und es sollte
den Gerichten des US-Militärs in dem Internierungslager den Anstrich
von Legitimität geben. Das Gegenteil ist eingetreten. Das Verfahren
gegen den sogenannten australischen Taliban, den 31-jährigen David Hicks,
der vor fünf Jahren als Al-Qaida-Kämpfer in Afghanistan aufgegriffen
wurde, zeigt, dass die militärische Sondergerichtsbarkeit der USA dem
Rechtsstaat eine Fratze dreht.
Es treten auf: ein Offizier als Richter, der offenbar Schwierigkeiten hat,
seine Emotionen unter Kontrolle zu bringen ob der Unverfrorenheit der
Verteidigung, die es wagt, seine Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen. Ein
Offizier als Staatsanwalt, der dem Militärverteidiger des Angeklagten,
einem aufrechten Major, unverhohlen mit Disziplinierung droht. Ein ziviler
Verteidiger des Angeklagten, der aus dem Verfahren fliegt, weil er sich
untersteht, darauf hinzuweisen, dass es rechtliche Vorbehalte gibt gegen
diese Art der Justiz. Und schließlich ist da ein Angeklagter, der nichts
als eine unbedeutende Randfigur im Terrorgetriebe der Islamisten war und
nun nach fünf Jahren in der Isolation offenbar alles zu tun bereit ist
für die Aussicht, aus Guantanamo herauszukommen.
So ein Prozess ist eine Farce. So ein Prozess beleidigt die Ehre des
US-Militärs. So ein Prozess ist der Rechtsprechung Amerikas unwürdig.
Es ist genau das eingetreten, was der neue Verteidigungsminister Bob Gates
befürchtete, als er Präsident George W. Bush vergeblich zur
Schließung des Lagers bewegen wollte. Faire Verfahren sind in Guantanamo
nicht möglich. Im Gegenteil: Jeder Prozess wird dem Ansehen Amerikas
neuen Schaden zufügen. rkl
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.73, Mittwoch, den 28. März 2007