Opus 030/ 1971
Im Sommer 1971, also ein Dreivierteljahr nach der
Flucht nach Berlin, kehrte ich für ein paar Urlaubswochen aus dem grauen
Kreuzberg nach Hause zurück. Mit Freunden stieg ich durch das Höllbachgespreng und
den Urwald zum Falkenstein. Am anderen Tag wanderten wir weiter zum Rachel, um
am dritten Tag über die Seewand zum Rachelsee abzusteigen, begleitet vom
wunderbaren Waldwasser. Niemals zuvor hat mich die Großartigkeit der heimischen
Natur so ergriffen! Ich konnte mich an dem wilden Grün nicht sattsehen und
versuchte in mir soviel davon zu tanken, wie ich gerade konnte. Als ich davon
singen wollte, erkannte ich erstmals, was unsere Sprache doch für eine
armselige Krücke ist.
In unserm großen Wald
da schritten wir weit aus.
Hinter uns verschwanden
Auto, Mensch und Haus.
Der Wald nahm uns gefangen,
mit seiner große Stille.
Wir schnauften tief und weit
wurd uns die Pupille.
Wir standen still und lauschten
und zur Freude unsrer Ohren,
war nichts mehr zu vernehmen,
von schrecklichen Motoren.
Auf unserm grünen Wege
sprangen Bächlein überall.
Wir haben uns gelabt
an ihrem kühlen Schwall.
Der Wald schien ohne Ende,
wir schritten ruhig dahin.
Wir dachten an kein Ziel
der Weg, der war der Sinn.
Wir durchstiegen eine Wand,
es war uns wie im Traum,
Moos und Farn und Riesen,
ein hoher wilder Raum.
Totes Holz voll Leben,
Urwald rings umher.
Wer sieht zuerst den Faun!
Wer sieht zuerst den Bär!
Und im Talgrund dann der See:
Wie ein Aug vom wilden Wald!
Er beflügelte die Schritte,
wir erreichten ihn schon bald.
Herunter mit den Schuhen,
die Hosen übers Knie,
wir tauchten in das Naß ein,
schöner war uns Wasser nie.
Waldwasser
klar wie ein Kristall
auf der Haut und auf der Zunge
einfach überall.