Unsre Sozialisation

Opus 038/ 1972

 

Die Erkenntnis, dass unser Verhalten weitgehend das Ergebnis von Prägung, also von Lernprozessen ist, hat mich veranlasst Erzieher zu werden, voller Hoffnung die Welt besser machen zu können... Nur - die vage Erkenntnis, dass etwas so oder so funktioniert, ist das eine, dessen Veränderung eine ganz andere Sache. Ein alter Schulmann, dem ich meine pädagogischen Weis­heiten predigte, gab mir maximal zwei Berufsjahre. Auch wenn er meine Hartnäckigkeit und meinen lan­gen Atem falsch einschätzte und heute ein viertel Jahrhundert Erziehertätigkeit hinter mir liegt, so fühle ich mich immer öfter am Ende meiner Kraft und Weisheit. Ach – so jammere ich, manchmal sogar laut - ich mag niemanden mehr erziehen! Soll die Welt bleiben wie sie mag!

 

Wenn das Kind rutscht auf den Knien,

dann wird´s Zeit es zu erziehen!

An den Ohren und überhaupt,

den Eltern ist alles erlaubt!

 

Die Welt ist krumm, ein krummer Rücken,

hilft dem Menschen beim Bücken.

Darum krümmt die Kinder beizeiten,

früh muß man sie zureiten!

 

Sie sollen essen schnell und viel

und schlafen lang und still,

und brav machen in den Topf,

wir ziehen  sonst am Schopf!

 

Sie sollen immer freundlich sein

und reden nur was fein,

sie sollen stark werden wie Papa

und denken wie Mama!

 

Und wenn ein Kindlein böse ist,

gar schreit und garstig ißt,

dann klopfen wir es weich,

entziehn ihm die Liebe gleich.

 

In der Schule geht es weiter,

das Kindlein wird gescheiter,

wenn man´s in Formen preßt,

die Ziele stehen fest.

 

Die Kirche mit ihren Geboten,

mit Himmel, Hölle und den Toten.

Von Glück und Lust,

hat sie niemals was gewußt

 

Pauken, pauken und pariern,

voll muss werden das Gehirn.

Zahlen, Daten, stets parat,

Phantasie und Spielen? Höchstens Skat!

 

Und nach der Schule wartet die Fabrik,

die Wirtschaft braucht Roboter, keine Kritik,

Fließband, Maschinen, das ist die Welt,

und wenn du spurst bekommst du Geld.

 

Die Werbung sagt dann, was wir brauchen,

Waren kaufen! Waren kaufen!

Glück für Geld, Glück für Geld,

haben, haben, zählt auf der Welt!

 

Traumfabriken, Hollywood,

schenken Träume, das ist gut!

Sex und Crime und Alkohol,

das tut dir wohl.

 

So sind wir brav dann, ohne Rute,

nur selten ziehn wir eine Schnute,

die Wirtschaft kann zufrieden sein,

mit uns einst so süßen Babylein.

 

Dass ist uns´re Sozialisation,

die macht das schon, die macht das schon,

dass ein jeder brav bleibt

und die Tretmühle treibt.