Zu der Zeit, als ich das Licht der Welt erblickt hab

Opus 055/ 1974

 

Natürlich wußte ich 1951 nichts vom Krieg, von Holocaust und Naziterror, vom wahnwitzigen Treiben der Amis und Russen, die immer neue Atombomben testeten.

Erst zwanzig Jahre später fügte sich die Geschichte in meinem Kopf  wie ein Puzzle um die Namen und Begriffe zusammen, die ich in den Nachrichten gehört und nicht verstanden hatte.

 

Zu der Zeit, als ich das Licht der Welt erblickt hab,

hatten die Leut den großen Krieg

fast schon vergessen und vom Völkermord

wollte keiner mehr was hören.

 

Zu der Zeit, als ich das Licht der Welt erblickt hab,

rauchten schon wieder die Fabriken von Hitlers Krämern,

und in den Schulen, Ämtern und Gerichten saßen die alten Nazis.

 

 

Zu der Zeit, als ich das Licht der Welt erblickt hab,

geiferten die Unbelehrbaren schon wieder

nach einer neuen Armee,

damit die Opfer der alten verhöhnend.

 

Zu der Zeit, als ich das Licht der Welt erblickt hab,

waren die meisten Teller noch gefüllt mit Kartoffeln,

doch man redete gering davon und schielte

nach den Fleischtöpfen.

 

Zu der Zeit, als ich das Licht  der Welt erblickt hab,

begann man ein glänzendes Schaufenster im Westen zu bauen,

um den armen Sozialisten im Osten die Zähne lang zu machen.

„Seht, der gute Kapitalismus sorgt für die Menschen!“

 

Zu der Zeit, als ich das Licht der Welt erblickt hab,

türmten die großen Städte noch den Schutt der Bombennächte zu Bergen

und in den Ohren swingte neuer Sound,

und über dem Land lag eine Ahnung von Wohlstand.

 

Doch der Wind war schwanger vom Fallout der Wasserstoffbomben,

und neues Kriegsgeschrei drang aus dem fernen Osten.

Wir bekamen das Wirtschaftswunder, die anderen Bomben und Tod.

 

Schon waren wir wieder Frontstaat

und unterwürfig den neuen Freunden, den großen Siegern.

Aber Kettenhunde lieben ihre Ketten und den vollen Napf.