Der Boss

Opus 101/ 1977/ 2001

 

Zu einer Ballade braucht man vorher nichts sagen, sie hat die nötige Länge, so dass keine Fragen übrigbleiben.

 

Ich fuhr mit einem Affenzahn

alleine auf der Autobahn,

doch dann, ein Stoss, ein Pfeifen,

mich überholten meine Reifen.

Ich traute meinen Augen kaum,

es kam mir vor grad wie im Traum,

ich hörte Engel singen

von seltsamen Dingen.

 

Die Sache lief an mir vorbei,

ich brachte sie nicht auf die Reih.

Ich stand in einem Weiher,

inmitten einer Feier,

sah mich verlegen grinsen,

es lachte in den Binsen,

wie wenn Sirenen locken,

ich war völlig von den Socken.

 

Um mich tanzten schöne Frauen,

alle reizend anzuschauen.

Sie trugen kurze Schürzen,

ich ließ mich gern bezirzen,

und kraulen da und dort

- das war gewiß ein Hexenort! -

Oh großer Gott, sie ließen

meine Glückshormone fließen!

 

Dann bekam ich eine Mütze,

sie schien mir zu nichts nütze.

Ich fragte, was ich damit solle.

Nun, sie sei aus Zauberwolle

und mache unsichtbar

und schenke Flügel für ein Jahr.

„Frag nicht lang und fliege los!

Du bist ab jetzt der Boss!“

 

Doch ich wollte lieber bleiben

mich weiter an den Hexen reiben,

denn wenn ich seh ne Hex,

denk ich nur an Sex!

Was soll ich mit dem ollen Hut

es ging mir doch so gut!

Doch die Hexen blieben stur,

drum machte ich mich auf die Tour.

 

Das Fliegen tat mir sehr gefallen,

ich ließ ein Wanderlied erschallen,

keiner konnte mich mehr sehen,

ich konnte überall hingehen.

Ich leerte alle Banken,

nicht ohne mich zu bedanken,

und das viele Geld

gab ich den Armen der Welt.

 

Ich wollte mich weiter engagieren

und die schlechte Welt regieren!

Ich zog deshalb an den Ohren

die bösen Diktatoren,

appellierte ans Gewissen,

sagte, wie sie regieren müssen:

friedlich, sozial und gerecht,

doch ein paar hörten schlecht.

 

Sie versuchten mich zu ignorieren,

mich, den Boss einfach auszuschmieren!

Drum musst ich meine Macht beweisen,

beklopfte sie mit einem Eisen,

oft genügte weiches Holz,

um zu vertreiben falschen Stolz,

manchmal war ich etwas grob,

doch verteilte ich auch Lob!

 

Beulen machen Menschen klug,

man lernt schnell, wie man sie meiden tut.

Ich spukte durchs Weiße Haus,

ließ im  Kreml mein Weichholz raus.

Auch das Pentagon habe ich oft besucht,

in Europa war ich lange ausgebucht.

In der bayrischen Staatskanzlei

flog ich täglich aus und ei...

 

Zu Somoza, Franco, Pinochet

war ich natürlich kein bißchen nett.

Ich besuchte auch sehr gerne

die Chefetagen der Großkonzerne.

Verbot das Herstellen von Waffen,

schreckte Bonzen, Spießer, Pfaffen.

Zu schnell war um das eine Jahr,

und ich war nicht mehr unsichtbar.

 

„Ach, liebe Hexen, helft mir bitte!

Ohne mich verfällt die Sitte!

Ich brauch ne frische Zauberkappe,

ich nehm auch eine kleine knappe!“

Mein Rufen blieb nicht ungehört.

„Ach, der Arme ist noch verstört,

sein Schädel hat was abgekriegt,

ob er noch richtig tickt?“

 

Ich schlug die Augen auf und sah

erst ziemlich fern und dann ganz nah,

wo ich mich befand, oh Schreck,

ich lag in einem Krankenbett,

um mich Pfleger, Ärzte, Nonnen,

ich hatte alles nur gesponnen!

Allein der Unfall, der war wahr,

ach, ich armer Narr!