Helmut Geiss
Leserbriefe
zum Straßenbau im Zwiesler Winkel
Leserbrief
an den BB-Viechtach
„Straßen verbinden und sind ein Symbol für den Weg
zu Gott“ sagte ein Geistlicher bei der Einweihung der Thalersdorfer Umgehungsstraße. Dies
mag in alten Zeiten so gewesen sein, doch heute verbinden Straßen
schon lange nicht mehr, sie zerschneiden die Welt von Mensch und Tier und
sind ein Symbol für die fortschreitende Zerstörung der Heimat und der
alten Sozialstrukturen. Zumal in Bayern, das eines der dichtesten
Straßennetze der Welt hat, auf denen nichts weniger als eine Art Krieg
herrscht.
Was sich z. B. am letzten Sonntag auf
der B 11 auf der Zwieseler Umgehungsstraße abspielte, sollte als Beispiel
dafür genügen, wie ein ehemals beschauliches Tal vom Durchgangsverkehr zerstört
wird. Eine Blechlawine, fast ohne Unterbrechung, wälzt sich um Zwiesel herum.
Wer zu Fuß mit Kindern oder einem Tier die Straße überqueren will, spielt mit
seinem Leben und erkennt, dass Straßen zu unüberwindlichen Gräben werden
können. Motorradfahrer, meist hordenweise auftretend, donnern durch wie die
Tiefflieger. Wenn einer überholt, überholen alle, wie durchgeknallte
Herdentiere. Mit Geschwindigkeiten, die weit jenseits der erlaubten 100 km/h liegen,
machen sie den Asphalt zur potentiellen Todeszone. Und diese
verantwortungslosen Raser sollen alle auf dem Weg zu Gott sein? Von München auf
den Arber zum Kaffeetrinken? Von Straubing nach Celesna Ruda mal schnell
zum Tanken oder ins Bordell? Und die Einheimischen flüchten in ihren
Blechkisten woanders hin, dort suchend, was sie zu Hause verloren haben. Wir
sollten endlich begreifen: Neue Straßen locken neuen Verkehr und wenn
unsere kleingegliederten Täler zu Transitbahnen verkommen, dann ist das unser
Ende als Urlaubsregion. Möge das schöne Zellertal vor
diesem Schicksal bewahrt bleiben!
Leserbrief an die PNP
Obwohl wir bereits eines der dichtesten
Straßennetze auf der Welt haben, fand sich im Zwiesler Stadtrat nur eine
Gegenstimme gegen die Forderung eine weitere Autobahnanbindung durch das
wunderbare Tal der Rinchnach und durch das Kirchberger Bauernland zu bauen.
Eine neue Straße durch eine solche verletzliche Landschaft zu brechen – mit
allen zerstörerischen Folgewirkungen – ist in meinen Augen ein Verbrechen, wenn
auch nicht aus Bosheit, so doch aus Verblendung! Trotzdem schon soviel Heimat
zerstört wurde und man die großen Betriebe mit Fördergelder und
Abschreibungsmöglichkeiten zuschüttete - sie sahnen ab, solange es geht, und
dann verschwinden sie. Zuerst nach Tschechien oder Ungarn und wenn die Löhne
dort einmal steigen und die EU-Millionen ausbleiben, werden sie noch weiter
weggehen. Vielleicht bauen sie zu diesem Zweck bald rollende Fabriken, einen
fahrbaren Glasöfen hat Schott für Ungarn ja schon bauen lassen, nach den
Erfahrungen in Tschechien...
Dieser Wettlauf ist nicht zu gewinnen, liebe
Politiker begreift das doch endlich! Was uns am Ende bleibt sind betonierte
Strukturen, in denen auch niemand mehr seinen Urlaub verbringen mag, denn
Uniformität und Unwirtlichkeit haben die Urlauber ja auch zu Hause. Wer sich
die Hässlichkeit unserer Gewerbegebiete und die Gesichtslosigkeit vieler Orte
in Niederbayern ansieht, der kann doch mit Händen greifen, was wir verloren
haben. Und was haben wir gewonnen?
Neue
Straßen ziehen den Verkehr weiter an und wer den Transitverkehr derart fördert,
fördert auch die Abwanderung der Betriebe nach dem Osten, denn jede gewonnene
Minute macht die Produktionsverlagerung lukrativer. Und am Ende werden wir auch
den Schwerverkehr in unseren Tälern haben. Wir hätten ihn längst, wenn sich
bisher die Tschechen nicht verweigert hätten.
Leserbrief an die BBZ
Die
Forderung nach einer Autobahn durch den Zwiesler Winkel verschlägt einem die
Sprache! Der Blick in den Kalender hilft auch nicht – kein 1. April, kein
Fasching – war das also eine ernsthafte Forderung des SPD-Stadtrates Hugo
Singer? Erst die Blockadehaltung der SPD gegen die Parkerweiterung, die Zwiesel
wirtschaftlich schwer geschadet hat, dann die rücksichtslose Sperrung der
Innenstadt und jetzt das! Ich dachte, es gäbe wenigstens darüber einen
gemeinsamen Nenner, dass man die Heimat in ihrem Wert steigern will und die
touristischen Grundlagen erhalten! Glaubt wirklich jemand ernsthaft, dass der
Zwiesler Winkel eine andere Chance zu überleben hat als touristisch? Eine
Autobahn würde Ökologie und Lebensqualität zerstören, also unsere touristischen
Grundlagen!
Wir
sind schon auf dem Weg dorthin, weil unser Winkel seit der Grenzöffnung schwer
durch den Transitverkehr belastet ist. Wer mit einem weiteren Autobahnzubringer
immer mehr Verkehr anlockt, fördert diese unselige Entwicklung! So sehr ich
mich über die bevorstehende Fertigstellung der Regener Umgehung freue, so
gewiss ist auch, dass mit jeder derartigen Erleichterung zusätzlicher
Transitverkehr angezogen wird. Wie lange wird es noch dauern, bis die
Wirtschaft massiv die Freigabe des Grenzübergangs für den Güterschwerverkehr
fordern wird? (Zu unserem Glück haben das bislang die Tschechen verhindert.)
Herr
Singer und alle die denken wie er, sollten nach Tirol fahren und mit den
Bewohnern des Inntales sprechen, denn diese leiden massivst unter dem
Durchgangsverkehr. Und solches möchte Herr Singer auch uns als
"Fortschritt" bescheren?
Leserbrief an BBZ
Es
gibt Vorgänge, die auch einen Barden zwingen, die Versform gegen die klarere
Prosa zu vertauschen. Dieser Tage bin ich bestürzt vor
der Schneise gestanden, die derzeit Bagger in das Tal des Kleinen Regens
fressen.
Nun
haben sie also doch begonnen, diese unselige, sieben Kilometer lange Straße zu
bauen, die den weitgehend unberührten süd- und südöstlichen Zwieseler Ortsrand
bis zur Unkenntlichkeit verändern wird. Denn eines ist doch hoffentlich klar:
die Straße wird im Gefolge nicht nur Lärm und Abgase bringen, sondern
langfristig einen Rattenschwanz anderer Baumaßnahmen. Vielleicht muss man erst
einige Jahre in der Fremde wohnen, um zu begreifen, was dieses unerhört
reizvolle Zwieseler Tal mit seiner stellenweise noch bis zur Haustür reichenden
Natur wert ist. Das ist unser Reichtum! Was uns Pendler stets wieder nach hause
treibt und die erholungshungrigen Großstädter zu uns reisen lässt, ist nicht
der maßlos gewachsene Asphalt in unserer Stadt. Was helfen uns Straßen, die
letztlich das zerstören, was sie erschließen wollen? Es gibt doch so viele
abschreckende Beispiele in den Fremdenverkehrsgebieten des Alpenraumes. Müssen
wir tatsächlich deren Fehler nachmachen?
Unser
"Woid" ist eben nur dann "autogerecht" hinzukriegen, wenn
seine Substanz auf der Strecke bleibt. Lange habe ich geglaubt, die
"Umgehungsstraße" sei zur Entlastung des Stadtplatzes halt notwendig.
Heute bin ich sicher, dass unser Verkehrsproblem damit nur "umgangen"
wird. Warum haben sich wohl viele unserer Geschäftsleute mit dem ehemals heftig
bekämpften Straßenbau abgefunden? Etwa weil sie auf einen leeren Stadtplatz
hoffen? Man braucht kein Prophet sein um zu erkennen, dass der Urlauberstrom
auch in Zukunft zur Urlaubszeit die Innenstadt weiter verstopfen wird,
schließlich sind wir das Einkaufs- und Freizeitzentrum in der ganzen Gegend.
Oder glaubt jemand im Ernst, dass z. B. die Camper ihre Wohnwagen sieben
Kilometer spazieren fahren werden, wenns durch die Stadt nur zwei Kilometer
sind?
Was
bringt das alles letztlich uns Zwieselern? Fortschritt? Wohin, muss man da wohl
fragen. Wenn wir so weiterhausen (wie man hört sind noch die abenteuerlichsten
Projekte zur "Modernisierung" Alt-Zwiesels im Busch)´, werden uns
unsere Kinder einmal verfluchen für unsere Gleichgültigkeit. Wenn sich bei
ihnen überhaupt noch ein Heimatgefühl entwickelt kann, denn mit jeder
Begradigung, Verbreiterung, Asphaltierung wird Zwiesel ein Stück uniformer,
austauschbarer...
Was
habe ich gehofft, dass den Straßenbauern das Geld ausgeht! Mit mir (wie eine
Unterschriftensammlung einmal ergeben hat) Tausende von Zwieseler Mitbürgern.
Aber so einfach scheint sich dieses Problem nicht zu lösen, wir alle sind
aufgerufen, unseren Stadtvätern Zivilcourage abzuverlangen. Wer A gesagt hat,
muss nicht immer auch B sagen! Was gestern richtig erschien, muss noch lange
nicht auch in Zukunft richtig sein! Wer meint, dass uns die Straße nichts
kostet irrt - sie kostet uns vielleicht unsere Heimat.
Ich
bitte alle Zwieseler, einen der nächsten Sonntagsausflüge nicht irgendwo in der
Ferne zu verbringen, sondern einmal die geplante Trasse abzuwandern. Vielleicht
erkennen sie dann, dass es bei uns (noch) sehr schön ist. Man braucht heute
nicht mehr viel Vorstellungskraft, die angefangene Schneise im Kopf
weiterzugraben - durch den Flanitzer Woid, übers Lichtenthaler Bergal, um den
Klotzer herum. Es wäre zu schön, wenn die heute entstehende Brücke einmal als
Denkmal von einer Zeit künden würde, in der die Zwieseler die Nase voll hatten
von diesem geteerten Fortschritt...!