Helmut Geiss

Leserbriefe zum Straßenbau im Zwiesler Winkel

 


8.10.07 Straßen trennen und zerstören

Leserbrief an den BB-Viechtach

 

„Straßen verbinden und sind ein Symbol für den Weg zu Gott“ sagte ein Geistlicher bei der Einweihung der Thalersdorfer Umgehungsstraße. Dies mag in alten Zeiten so gewesen sein, doch heute verbinden Straßen schon lange nicht mehr, sie zerschneiden die Welt von Mensch und Tier und sind ein Symbol für die fortschreitende Zerstörung der Heimat und der alten Sozialstrukturen. Zumal in Bayern, das eines der dichtesten Straßennetze der Welt hat, auf denen nichts weniger als eine Art Krieg herrscht.

 

Was sich z. B.  am letzten Sonntag auf der B 11 auf der Zwieseler Umgehungsstraße abspielte, sollte als Beispiel dafür genügen, wie ein ehemals beschauliches Tal vom Durchgangsverkehr zerstört wird. Eine Blechlawine, fast ohne Unterbrechung, wälzt sich um Zwiesel herum. Wer zu Fuß mit Kindern oder einem Tier die Straße überqueren will, spielt mit seinem Leben und erkennt, dass Straßen zu unüberwindlichen Gräben werden können. Motorradfahrer, meist hordenweise auftretend, donnern durch wie die Tiefflieger. Wenn einer überholt, überholen alle, wie durchgeknallte Herdentiere. Mit Geschwindigkeiten, die weit jenseits der erlaubten 100 km/h liegen, machen sie den Asphalt zur potentiellen Todeszone. Und diese verantwortungslosen Raser sollen alle auf dem Weg zu Gott sein? Von München auf den Arber zum Kaffeetrinken? Von Straubing nach Celesna Ruda mal schnell zum Tanken oder ins Bordell? Und die Einheimischen flüchten in ihren Blechkisten woanders hin, dort suchend, was sie zu Hause verloren haben. Wir sollten endlich begreifen: Neue Straßen locken neuen Verkehr und wenn unsere kleingegliederten Täler zu Transitbahnen verkommen, dann ist das unser Ende als Urlaubsregion. Möge das schöne Zellertal vor diesem Schicksal bewahrt bleiben!    

9.2.04 Neuer Autobahnzubringer?

Leserbrief an die PNP

 

Obwohl wir bereits eines der dichtesten Straßennetze auf der Welt haben, fand sich im Zwiesler Stadtrat nur eine Gegenstimme gegen die Forderung eine weitere Autobahnanbindung durch das wunderbare Tal der Rinchnach und durch das Kirchberger Bauernland zu bauen. Eine neue Straße durch eine solche verletzliche Landschaft zu brechen – mit allen zerstörerischen Folgewirkungen – ist in meinen Augen ein Verbrechen, wenn auch nicht aus Bosheit, so doch aus Verblendung! Trotzdem schon soviel Heimat zerstört wurde und man die großen Betriebe mit Fördergelder und Abschreibungsmöglichkeiten zuschüttete - sie sahnen ab, solange es geht, und dann verschwinden sie. Zuerst nach Tschechien oder Ungarn und wenn die Löhne dort einmal steigen und die EU-Millionen ausbleiben, werden sie noch weiter weggehen. Vielleicht bauen sie zu diesem Zweck bald rollende Fabriken, einen fahrbaren Glasöfen hat Schott für Ungarn ja schon bauen lassen, nach den Erfahrungen in Tschechien... 

Dieser Wettlauf ist nicht zu gewinnen, liebe Politiker begreift das doch endlich! Was uns am Ende bleibt sind betonierte Strukturen, in denen auch niemand mehr seinen Urlaub verbringen mag, denn Uniformität und Unwirtlichkeit haben die Urlauber ja auch zu Hause. Wer sich die Hässlichkeit unserer Gewerbegebiete und die Gesichtslosigkeit vieler Orte in Niederbayern ansieht, der kann doch mit Händen greifen, was wir verloren haben. Und was haben wir gewonnen?

Neue Straßen ziehen den Verkehr weiter an und wer den Transitverkehr derart fördert, fördert auch die Abwanderung der Betriebe nach dem Osten, denn jede gewonnene Minute macht die Produktionsverlagerung lukrativer. Und am Ende werden wir auch den Schwerverkehr in unseren Tälern haben. Wir hätten ihn längst, wenn sich bisher die Tschechen nicht verweigert hätten.

 

6.12.99 Unglaubliche Forderung!

Leserbrief an die BBZ

 

Die Forderung nach einer Autobahn durch den Zwiesler Winkel verschlägt einem die Sprache! Der Blick in den Kalender hilft auch nicht – kein 1. April, kein Fasching – war das also eine ernsthafte Forderung des SPD-Stadtrates Hugo Singer? Erst die Blockadehaltung der SPD gegen die Parkerweiterung, die Zwiesel wirtschaftlich schwer geschadet hat, dann die rücksichtslose Sperrung der Innenstadt und jetzt das! Ich dachte, es gäbe wenigstens darüber einen gemeinsamen Nenner, dass man die Heimat in ihrem Wert steigern will und die touristischen Grundlagen erhalten! Glaubt wirklich jemand ernsthaft, dass der Zwiesler Winkel eine andere Chance zu überleben hat als touristisch? Eine Autobahn würde Ökologie und Lebensqualität zerstören, also unsere touristischen Grundlagen!

Wir sind schon auf dem Weg dorthin, weil unser Winkel seit der Grenzöffnung schwer durch den Transitverkehr belastet ist. Wer mit einem weiteren Autobahnzubringer immer mehr Verkehr anlockt, fördert diese unselige Entwicklung! So sehr ich mich über die bevorstehende Fertigstellung der Regener Umgehung freue, so gewiss ist auch, dass mit jeder derartigen Erleichterung zusätzlicher Transitverkehr angezogen wird. Wie lange wird es noch dauern, bis die Wirtschaft massiv die Freigabe des Grenzübergangs für den Güterschwerverkehr fordern wird? (Zu unserem Glück haben das bislang die Tschechen verhindert.)

Herr Singer und alle die denken wie er, sollten nach Tirol fahren und mit den Bewohnern des Inntales sprechen, denn diese leiden massivst unter dem Durchgangsverkehr. Und solches möchte Herr Singer auch uns als "Fortschritt" bescheren?

 

2.8.83 Angst um die alte Heimat

Leserbrief an BBZ

Es gibt Vorgänge, die auch einen Barden zwingen, die Versform gegen die klarere Prosa zu vertauschen. Dieser Tage bin ich bestürzt vor der Schneise gestanden, die derzeit Bagger in das Tal des Kleinen Regens fressen.

Nun haben sie also doch begonnen, diese unselige, sieben Kilometer lange Straße zu bauen, die den weitgehend unberührten süd- und südöstlichen Zwieseler Ortsrand bis zur Unkenntlichkeit verändern wird. Denn eines ist doch hoffentlich klar: die Straße wird im Gefolge nicht nur Lärm und Abgase bringen, sondern langfristig einen Rattenschwanz anderer Baumaßnahmen. Vielleicht muss man erst einige Jahre in der Fremde wohnen, um zu begreifen, was dieses unerhört reizvolle Zwieseler Tal mit seiner stellenweise noch bis zur Haustür reichenden Natur wert ist. Das ist unser Reichtum! Was uns Pendler stets wieder nach hause treibt und die erholungshungrigen Großstädter zu uns reisen lässt, ist nicht der maßlos gewachsene Asphalt in unserer Stadt. Was helfen uns Straßen, die letztlich das zerstören, was sie erschließen wollen? Es gibt doch so viele abschreckende Beispiele in den Fremdenverkehrsgebieten des Alpenraumes. Müssen wir tatsächlich deren Fehler nachmachen?

Unser "Woid" ist eben nur dann "autogerecht" hinzukriegen, wenn seine Substanz auf der Strecke bleibt. Lange habe ich geglaubt, die "Umgehungsstraße" sei zur Entlastung des Stadtplatzes halt notwendig. Heute bin ich sicher, dass unser Verkehrsproblem damit nur "umgangen" wird. Warum haben sich wohl viele unserer Geschäftsleute mit dem ehemals heftig bekämpften Straßenbau abgefunden? Etwa weil sie auf einen leeren Stadtplatz hoffen? Man braucht kein Prophet sein um zu erkennen, dass der Urlauberstrom auch in Zukunft zur Urlaubszeit die Innenstadt weiter verstopfen wird, schließlich sind wir das Einkaufs- und Freizeitzentrum in der ganzen Gegend. Oder glaubt jemand im Ernst, dass z. B. die Camper ihre Wohnwagen sieben Kilometer spazieren fahren werden, wenns durch die Stadt nur zwei Kilometer sind?

Was bringt das alles letztlich uns Zwieselern? Fortschritt? Wohin, muss man da wohl fragen. Wenn wir so weiterhausen (wie man hört sind noch die abenteuerlichsten Projekte zur "Modernisierung" Alt-Zwiesels im Busch)´, werden uns unsere Kinder einmal verfluchen für unsere Gleichgültigkeit. Wenn sich bei ihnen überhaupt noch ein Heimatgefühl entwickelt kann, denn mit jeder Begradigung, Verbreiterung, Asphaltierung wird Zwiesel ein Stück uniformer, austauschbarer...

Was habe ich gehofft, dass den Straßenbauern das Geld ausgeht! Mit mir (wie eine Unterschriftensammlung einmal ergeben hat) Tausende von Zwieseler Mitbürgern. Aber so einfach scheint sich dieses Problem nicht zu lösen, wir alle sind aufgerufen, unseren Stadtvätern Zivilcourage abzuverlangen. Wer A gesagt hat, muss nicht immer auch B sagen! Was gestern richtig erschien, muss noch lange nicht auch in Zukunft richtig sein! Wer meint, dass uns die Straße nichts kostet irrt - sie kostet uns vielleicht unsere Heimat.

Ich bitte alle Zwieseler, einen der nächsten Sonntagsausflüge nicht irgendwo in der Ferne zu verbringen, sondern einmal die geplante Trasse abzuwandern. Vielleicht erkennen sie dann, dass es bei uns (noch) sehr schön ist. Man braucht heute nicht mehr viel Vorstellungskraft, die angefangene Schneise im Kopf weiterzugraben - durch den Flanitzer Woid, übers Lichtenthaler Bergal, um den Klotzer herum. Es wäre zu schön, wenn die heute entstehende Brücke einmal als Denkmal von einer Zeit künden würde, in der die Zwieseler die Nase voll hatten von diesem geteerten Fortschritt...!